Gustav Landauers früher Befreiungsversuch konkretisierte sich mit den eben angesprochenen Umständen. In seiner politisch aktiven Berliner Zeit kristalisierte sich ihm eine antipolitische Sichtweise heraus. Der antipolitische Befreiungsversuch, welcher von der Sozialdemokratie nicht mehr angestrebt werden konnte, versetzte Landauer in die Situation libertäre Gedanken auszuformulieren. So konnte er beispielsweise für genossenschaftliche Produktionsstätten eintreten, die, am technischen Fortschritt!, den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen orientiert, wirtschaften. Die "sociale Frage" wurde libertär, und deswegen nicht bürgerlich - sozialdemokratisch, verstanden. Da sich der deutsche Arbeiter aber weitgehend an der marxistischen Sozialdemokratie orientierte, war er nicht an freiheitlichen Entwürfen interessiert. Unter diesen Bedingungen versuchte Landauer die Hindernisse aufzeigen, welche seinem Versuch der Arbeiterschaft libertäre Ideen zuvermitteln, entgegenstanden. In welchen Ketten befanden sich die vom bürgerlichen Staat und der Sozialdemokratischen Partei vereinnahmten Arbeiter? Gustav Landauer fand diese allgemeinen Irrtümer im Parlametarismus und der materialistischen Geschichtsschreibung. Die marxistische Geschichtsschreibung wird in dieser Abhandlung als Ausdruck dogmatischen Denkens verstanden, welche der anarchistischen Denkweise und der damit zuverwirklichenden libertären Gesellschaft entgegensteht. Dasselbe gilt für den Parlamentarismus. Dogmatisches und Anarchistisches Denken bei Gustav Landauer werden hier ebenfalls mit den Artikeln des "Sozialist", und den zuvor veröffentlichten Aufsätzen aufgezeigt. Damit findet der oben benannte Zusammenhang von Literatur, Philosophie und Politik eine notwendige Vertiefung.
Diesen Zusammenhang herauszuarbeiten,
scheint mir wichtig. Der erste Teil dieser Untersuchung, der Leben und
Werk Landauers bis zu seinem zweiten Gefängnisaufenthalt berücksichtigt,
möchte die Grundlagen für ein vertieftes Verständnis der
nach der Jahrhundertwende erschienen Artikel und Schriften, und den späten
politischen Aktivitäten, legen. Der rote Faden der durch sein gesamtes
Werk geht, ist, so meine ich, der Befreiungswille von einer menschenunwürdig
empfundenen Gesellschaftsform, sowie Landauers humanistischer Anspruch
die Verwirklichung der libertären Gesellschaftsordnung ernstzunehmen.
Landauer gewichtete die Befreiung und die gesellschaftliche Utopie in seinen
vielfaltigen Leben unterschiedlich. Ob er aber nun das antipolitische,
das künstlerische, oder später das Mystische (als notwendiges
Resultat seiner vorhergehenden Lebenserfahrung) in den Vordergrund stellt:
Immer sind die, in dieser Abhandlung aufzuzeigenden und mit dem Kulturoptimismus
bezeichneten Zusammenhänge, vorhanden. Dieses macht sein Werk, vor
allem im Zeitalter der Spezialwissenschaften, wo das Ganzheitliche oft
schwerzlich vermißt (und in verfehlten Perspektiven gesucht wird)
so spannend. Vielleicht kann dieser Text dem geneigten Leser von dieser
revolutionären Utopie etwas vermitteln?
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T. Ruprecht
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1. 1885 - 1892 Studenten Zeit und frühe Literaten Zeit in Berlin
2. 1892 - 1894 Frühe politische Aktivität und erste Gefängnisbesinnung
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